„Wer die Wahrheit sagt, braucht ein schnelles Pferd“ – dieses armenische Sprichwort bedeutet nichts anderes, als dass derjenige, der Missstände aufdeckt, nicht gerade mit Sympathien zu rechnen hat. Der Enthüllungsjournalist Marvin Wildhage kennt diese Weisheit aus eigenen Erlebnissen: Seit Jahren recherchiert der Niedersachse unter anderem zu problematischen Verhaltensweisen zum Beispiel von Influencern und zu gefährlichen Sicherheitslücken bei Veranstaltungen. Besondere Bekanntheit erreichte Wildhage, als er sich relativ problemlos in Berlin – wo sonst? – einen Doktortitel in sein Ausweisdokument eintragen ließ oder bei der Präsentation seines angeblichen Indie-Films „A Hole“, für den bekannte Social-Media-Gesichter massive Werbung betrieben, obwohl sie wussten, dass der Film weder Sinn noch Anspruch hatte. Die Ergebnisse seiner Arbeit präsentiert er, oft als Prank humorvoll aufbereitet, auf seinem Youtube-Kanal: https://www.youtube.com/@MarvinWildhage.
Zuletzt schlich sich Marvin Wildhage erfolgreich ins Training der deutschen Fußball-Nationalmannschaft und bewarb sich – weniger erfolgreich – um einen letzten Platz im Kader von Trainer Julian Nagelsmann. Der DFB reagierte mit Humor und wird trotzdem seine Rückschlüsse aus dieser Sicherheitspanne gezogen haben.
Wildhage hatte aber noch eine deutlich größere Nummer vor: er wollte zeigen, dass er es relativ problemlos schaffen kann, sich Zugang zur Eröffnungsfeier der Fußball-Europameisterschaft 2024 in München zu verschaffen. Spoiler: Er schaffte es, und man mag gar nicht daran denken, was passieren hätte können, hätte Marvin Wildhage etwas anderes im Sinn gehabt als lediglich das Hinweisen auf fatale Sicherheitslücken.
Die UEFA allerdings ist nicht der DFB. Der europäische Fußballverband nahm die Angelegenheit weniger als Fingerzeig oder mit Humor, sondern reagierte reichlich angepisst. Er drohte dem Journalisten mit Konsequenzen, falls er das Videomaterial nutze. Noch ein Spoiler: Natürlich nutzte Wildhage sein Material…
… und muss nun tatsächlich rechtliche Folgen fürchten. Wobei, das war halbwegs erwartbar, denn Marvin Wildhage wurde bereits für seine Investigativrecherche in Berlin (Stichwort: Doktortitel) bestraft und und könnte deshalb als Wiederholungstäter gelten.
Und hier schlagen wir den Bogen zum Anfang: Wildhage ist das, was man im besten Wortsinn einen Enthüllungsjournalisten nennt. Er recherchiert umfangreich, geht „undercover“ dorthin, wo was passiert und präsentiert das Ergebnis anschließend in einem Medium: seinem Youtube-Kanal. Eigentlich sollte hier also die Pressefreiheit greifen, denn letztendlich kann Wildhage in seinen Methoden durchaus mit Günter Wallraff verglichen werden. Der gilt übrigens zurecht als Blaupause des Enthüllungsjournalisten und geniest für seine Arbeit bundesweit Achtung und Respekt. Wildhage allerdings könnte für seine Arbeit und die durchaus wichtigen Ergebnisse daraus empfindlich bestraft werden.
Der bekannte Jurist Christian Solmecke (https://www.youtube.com/@wbs_legal) hat sich den Fall angeschaut und befürchtet ebenso wie wir, dass Wildhage sich mit der UEFA das falsche „Opfer“ für seine Enthüllungen ausgesucht hat. Allerdings lässt der Kölner Anwalt eine Frage unbeantwortet: Wieso kann Wildhage als Journalist für erfolgreiche Arbeit, die noch dazu der UEFA wirtschaftlich nicht geschadet haben sollte, überhaupt belangt werden? Handelt Wildhage hier nicht im Interesse der Öffentlichkeit, wenn er aufdeckt, wie „simpel“ sich die Sicherheitskonzepte der UEFA austricksen lassen? Oder anders: Müssen Journalisten generell fürchten, für – erfolgreiche – Recherchen, die Tasachen ans Licht fördern, bestraft zu werden? Wildhage wurde in Berlin dafür bestraft, dass er gut arbeitete. Passiert jetzt das gleiche? Wir meinen: Wildhage muss als Enthüllungsjournalist den gleichen Schutz erfahren wie Journalisten, die ihre Ergebnisse in traditionellen Medien wie Zeitungen oder Fernseehen präsentieren. Was meint Ihr? Wir sind gespannt auf Eure Meinungen!