Emden im September 2025: Es sollte der nächste große Schritt werden. Nach der Vizemeisterschaft in der Vorsaison war das Ziel bei Kickers Emden klar: Aufstieg in die Regionalliga. Die Kaderplanung? Ambitioniert. Der Ton? Zurückhaltend nach außen, aber intern unmissverständlich. Doch sieben Spieltage später muss man feststellen: Das Projekt Aufstieg ist vorerst gescheitert.
Vom Aufstiegsaspiranten zum frühen Krisenklub
Sieben Spiele, zwei Siege, ein Remis – bei vier Niederlagen. Dazu ein peinliches Pokal-Aus bei Drochtersen/Assel und eine Defensive, die mit 14 Gegentoren alles andere als sattelfest ist. Das sind die nackten Zahlen. Aber sie erzählen nur einen Teil der Geschichte.
Denn die wahren Probleme liegen tiefer: Trotz großem personellem Umbau ist aus dem auf dem Papier verbesserten Kader kein echtes Team entstanden. Noch immer fehlt eine klare Spielidee, eine erkennbare Struktur. Und vor allem: Konstanz.
Kein „oben festsetzen“ – sondern unten aufschlagen?
Die offiziellen Statements der Vereinsführung waren zu Saisonbeginn auffällig zurückhaltend formuliert – man wolle sich „oben festsetzen“. Eine bewusst gewählte Rhetorik, um öffentlichen Druck zu vermeiden. Doch wer sich so deutlich verstärkt, tut das nicht, um auf Platz sechs zu landen, zumal es nach dem Aufstieg des TSV Havelse nicht „den einen Favoriten“ gab, an dem man erst vorbeikommen hätte müssen.
Gegen den Bremer SV und Weiche Flensburg wurde zwar erwartungsgemäß dreifach gepunktet, doch die Auftritte gegen HSC Hannover (3:3) und FSV Schöningen (1:2), beides Aufsteiger, offenbaren die Schwächen schonungslos. Diese Spiele muss ein Topteam gewinnen, in beiden Partien aber gab es entscheidende Gegentore in der Nachspielzeit. Etwas, das einer Spitzenmannschaft nicht passiert.
Kader mit Qualität – aber kein funktionierendes Gerüst
Zweifellos hat der BSV an Qualität gewonnen. Aber: Wichtige Stützen gingen verloren. Mit Pascal Steinwender, André N’Diaye, Tim Dietrich sowie den Keepern Marcel Bergmann und Moritz Onken verließen Spieler den Club, die sowohl sportlich als auch charakterlich schwer zu ersetzen sind. Die neuen, oft sehr jungen Spieler bringen Talent mit – doch Erfahrung und Führungsstärke fehlen.
Das Ergebnis: Eine Mannschaft, die ihr Können zwar aufblitzen lässt, aber keine echte Einheit ist. Und der es schwer fällt, über die volle Spielzeit konzentriert zu bleiben.
Oduah-Episode – unglücklich und überflüssig
Für zusätzliche Unruhe sorgte das kurze, unglückliche Intermezzo um Emeka Oduah, der nach wenigen Wochen wieder weg war – und dabei öffentlich zum Sündenbock für den Fehlstart gemacht wurde. Eine Entscheidung, die intern wie extern mehr geschadet als genützt hat.
Insgesamt wirkt die sportliche Führung in diesen Wochen nicht geschlossen – und auf dem Platz spiegelt sich das wider.
Saison gelaufen – oder doch noch eine Wendung?
Realistisch betrachtet ist der Titelkampf bereits jetzt in weite Ferne gerückt. Will Emden noch ein Wörtchen mitreden, müsste man ab sofort eine fast makellose Serie hinlegen – beginnend mit der schweren Auswärtspartie bei Eintracht Norderstedt am kommenden Wochenende.
Angesichts der bisherigen Auftritte ist es nicht einfach, daran zu glauben, dass ausgerechnet jetzt der große Turnaround gelingt. Denn: Ein Team, das bislang nicht funktioniert hat, wird nicht plötzlich zum Punktesammler wie das berühmte quergestreifte Backenhörnchen.
Jetzt ohne Druck – vielleicht ist genau das die Chance
Doch in jeder Krise steckt eine Gelegenheit. Die Erwartungshaltung ist gesunken, der Aufstiegsdruck ist erstmal weg. Vielleicht entsteht gerade jetzt Raum, um sich zu finden. Ohne Zwang, ohne Rechenspiele.
Die Partie in Norderstedt wird zeigen, ob diese Mannschaft sich befreien kann – oder ob der Herbst für Kickers Emden endgültig zur sportlichen Tristesse wird.