Zuschauer beim Jugendtraining des TuS Pewsum
Zuschauer beim Jugendtraining des TuS Pewsum

Neulich stand wieder einer neben mir am Sportplatz und meinte, er sei Bayern-Fan „seit immer“ – obwohl er in Emden geboren wurde und schon seit Ewigkeiten keinen Fuß südlich von Bremen gesetzt hat. Auf die Frage, wann er das letzte Mal ein Spiel seines Herzensklubs live im Stadion gesehen habe, antwortete er: „Das ist schon ein wenig her. Da stand der Kahn noch im Tor.“ Harrijasses!

Versteht mich nicht falsch: Wer sich in Kimmichs Seitenverlagerung verliebt hat oder bei Musialas Tanz durchs Mittelfeld Gänsehaut bekommt – bitte sehr. Aber wer in Ostfriesland lebt, in Pewsum Brötchen kauft oder in Moordorf die Mülltonne rausstellt, sollte sich gut überlegen, ob der Klub seiner Liebe wirklich 850 Kilometer entfernt sein muss.

Denn der echte Fußball, der mit Schlamm an den Stutzen, Wurstduft in der Luft und Brüllern wie „Schiri, das war doch glatt Rot!“, der findet hier statt. Beim Süderneulander SV, bei Concordia Suurhusen, beim SV Großefehn. Auf Sportplätzen mit mehr Maulwurfshügeln als Rasenheizungen. Und das ist auch gut so.

Warum also der lokale Fußball? Ganz einfach:

Weil er unsere Lebenswirklichkeit spiegelt. Die Spieler kommen nicht aus Ghana oder der französischen U21, sondern von der Berufsschule in Aurich oder aus dem Frühdienst im Klinikum Emden. Sie leben hier, sind unsere Freunde und Nachbarn. Auch die Fans kennen sich, die Theke im Vereinsheim hat mehr Geschichten als ein Sky-Kommentator Phrasen. Und wenn der Libero in der Halbzeit hustet, weiß jeder: Der war letzte Woche noch mit Grippe auf der Arbeit – aber heute kämpft er für den Verein. Das ist Leidenschaft. Kein Marketing.

Und dann ist da noch die Sache mit der Entfernung.
Wie viel Identifikation kann man ernsthaft mit einem Verein haben, der so weit weg ist, dass man auf dem Weg dorthin mehrere Grenzen von Bundesländern überqueren muss? Zwischen uns und München liegen schließlich nicht nur Kilometer, sondern auch Lebenswelten. Dort wird über Rolex-Sponsorings verhandelt – hier diskutiert man, ob man sich diesen Monat neue Eckfahnen leisten kann. Von der Sprachbarriere mal ganz abgesehen. Es ist eben eine ganz andere Welt, die nichts mit unserer zu tun hat.

Zugegeben: Der Fußball hier ist nicht perfekt.
Manchmal ist der Rasen unbespielbar, weil der Platzwart überraschend weg musste oder es bereits Ende September ist. Der Stadionsprecher, falls es überhaupt einen gibt, verhaspelt sich beim Spielernamen. Und der Linksaußen schießt die Eckbälle grundsätzlich ins Aus. Aber weißt du was? Das ist ehrlich. Das ist echt. Das ist unser Fußball. Fußball, wie man ihn bei TuRa Marienhafe findet, beim SV Wittmund, bei Frisia Völlenerkönigsfehn.

Also, liebe Ostfriesen:
Zieht die Mütze über die Ohren und geht zum nächsten Heimspiel eures Heimatvereins. Zeigt Flagge für die Leute, die Woche für Woche die Knochen hinhalten – nicht fürs Geld, sondern für den Sport. Für uns. Denn der wahre Fußball kommt nicht aus der Allianz Arena. Der kommt aus Ostfriesland.

Anmerkung: Natürlich geht es hier nicht nur um Bayern München, sondern um alle weit entfernten Hochglanzprodukte, von denen kein einziges in Ostfriesland spielt. Fun Fact: Für den Preis einer einzigen Fahrt zu einem Spiel dieser Teams kann man sich ein ganzes Jahr lang Spaß, Spannung und Geselligkeit beim Heimatverein leisten. Und bezahlt damit keine Millionäre, sondern ermöglicht den Sport im eigenen Ort.

Von togo

Hat Trainerschein und Lust zum Schreiben - gefährliche Mischung. Findet Schirischelte billig und kann Schwalben nix abgewinnen. Höchste erreichte Ligen: Kreisliga (Spieler), Landesliga (Trainer), Oberliga (Funktionär).

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Blaue Ostfriesen Transparent
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