Vor ein paar Wochen haben wir uns schon einmal weit aus dem Fenster gelehnt und den Saisonstart von Kickers Emden analysiert. Unser Fazit damals: Viel Kaderqualität, wenig Team – keine klare Idee, keine Struktur, vor allem keine Konstanz. Leider hat der Saisonverlauf seitdem nicht widersprochen.
Der Anspruch – und die Wirklichkeit
Zum Start hieß es vorsichtig: Man wolle sich „oben festsetzen“. Klingt entspannt, nimmt Druck. Aber wer sich so deutlich verstärkt, zielt nicht auf Platz sechs. Nach 7 Spielen stand Emden bei 2–1–4. Jetzt, nach 14 Partien: 4 Siege, 3 Remis, 7 Niederlagen. Das ist kein „oben“, das ist untere Tabellenhälfte – mit Blickrichtung Keller.
Mini-Aufschwung – und dann wieder Rückwärtsgang
Kurz sah’s nach Wende aus: 2:0 in Norderstedt, 2:0 gegen Lohne. Danach folgten fünf Spiele ohne Sieg, zuletzt drei Niederlagen am Stück. Bitter:
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3:4 gegen den HSV II in der 94.
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1:2 in Oldenburg in der 93.
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Gegen Hannover II das 0:1 schon nach gut drei Minuten.
Das Muster: Konzentration bricht weg – ganz spät und/oder ganz früh. Gegner müssen nicht mal überragend sein; Konzentration, Einsatz und eine simple Spielidee reichen, um Emden weh zu tun.
Der Kader kann was – die Mannschaft noch nicht
Ja, Qualität ist da. Aber wichtige Säulen sind weg (Steinwender, N’Diaye, Dietrich, Abey). Die Neuen sind talentiert, teils sehr jung – Erfahrung & Führungsstärke fehlen noch. Ergebnis: Einzelblitze statt Einheit.
Tabelle? Lieber jetzt hinschauen
14 Spiele, 7 Niederlagen – selbst für das ruhige Mittelfeld zu viel. Der Abstiegskampf ist keine Drohung, er ist da. Zur Einordnung: St. Pauli II (Letzter) ist bei zwei Spielen weniger nur sechs Punkte weg. VfB Oldenburg oben hat mit einem ausstehenden Nachholspiel 33 Punkte – mehr als doppelt so viele wie Emden. Fazit: Nach oben ist die Messe gelesen. Ab jetzt zählen Punkte gegen den Abstieg.

Was jetzt passieren muss
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Ein echtes Team formen: Die Besten auf ihren besten Positionen. Das wilde Rotieren hat eher Unruhe produziert. Und: Es gibt Spieler, die müssen gesetzt sein, wenn sie fit sind. Tobias Steffen zum Beispiel. Der hat am Mittwochabend wieder einmal bewiesen, warum er zu denjenigen gehört, die eine Stammplatzgarantie verdienen: Mit seiner Einwechslung wurde Kickers plötzlich deutlich gefährlicher und hätte sich den Ausgleich noch verdienen können.
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Matchplan statt Wunschdenken: Spielidee auf Stärken/Schwächen zuschneiden. Kickers ist nicht das Überteam, das „einfach so“ dominiert. Taktische Arbeit ist Pflicht.
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Klare Zuständigkeiten: Aus der Mannschaft ist zu hören, die sportliche Leitung mische sich ins Trainerhandwerk ein. Das untergräbt Autorität und stiftet Unruhe. Training, Aufstellung, Taktik, Wechsel – das ist Coach-Sache. Führung gibt den Rahmen, nicht die Startelf.
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Blick schon auf die nächste Saison: Jetzt ein Gerüst bauen, das im Sommer eingespielt ist, sich blind versteht – und für die Farben durchs Feuer geht. Dieses Feuer hat in dieser Runde bisher zu oft gefehlt.
Der Auftrag für die nächsten Wochen
Punkte sammeln, Stabilität reinbekommen, Standards gegen sich abstellen, späte Gegentore vermeiden, frühe Schläfrigkeit ablegen. Das ist kein Glamour-Fahrplan, aber der, der jetzt zählt. Wenn Kickers das Fundament legt, kann aus „retten, was zu retten ist“ noch eine ruhige Rückrunde werden. Wenn nicht, wird’s ein langer Winter.